Ursprünge und historische Entwicklung
Die vielleicht bekanntesten Kunstwaren aus Myanmar sind die Lackprodukte. Die Kunstform hat uralte Wurzeln: Die Lacktechnik ist in China seit über 3.000 Jahren nachweisbar. In Südostasien entwickelten sich eigene Traditionen, die vermutlich durch kulturelle Kontakte beeinflusst wurden. In Myanmar scheint das Handwerk im 12. oder 13. Jahrhundert in Bagan aufgegriffen worden zu sein. Epigraphische Quellen nennen lackierte Gegenstände in Tempelinschriften ab dem frühen 13. Jahrhundert. Archäologische Funde, etwa aus dem Umfeld des Laymyethna-Klosters, belegen Lackarbeiten ebenfalls für diese Zeit.
Rohstoffgewinnung und Materialkunde

Die Herstellung erfolgt auch heute nach alter Tradition aus natürlichen Materialien. Der Grundstoff des Lacks ist Harz vom Thitsi-Baum (Gluta usitata). Der Baum wird mit V-förmigen Kerben angeritzt, sodass das dickflüssige Harz langsam in ein Gefäß tropft. Nach dem Abzapfen erhält der Baum vier oder fünf Jahre Ruhe, um sich zu regenerieren. Als Trägermaterialien dienen meist Bambus (vor allem Cephalostachyum pergracile) oder Holzarten wie Teak, Tretrameles nudiflora oder Bombax malabaricum.
Qualitätsklassen und technische Varianten
Je nach Wassergehalt unterscheidet man mehrere Qualitäten – ein besonders reiner schwarzer Lack enthält bis zu 25 % Wasser, während andere Varianten deutlich feuchter sind und matter trocknen. Die Quelle unterscheidet vier Qualitätsstufen:
Qualitätsklassen
- – Shwezawa (Goldlackarbeiten)
- – mit Pferdehaar verstärkter Lack
- – einfacher Alltagslack
- – Sayyun – ein modernes Hybridprodukt mit japanischen Einflüssen
Form, Funktion und Vielfalt
Die mit Lack verzierten Waren sind vielfältig. Neben Haushaltsobjekten wie Boxen, Tischen oder Servierbrettern entstehen auch rituelle Gegenstände wie Almosenschalen, Manuskriptkisten oder lackierte Buddha-Statuen (Manphaya). Manche Objekte dienen rein dekorativen Zwecken, andere sind Teil religiöser oder höfischer Zeremonien. Besonders prunkvoll sind mit Glas und Blattgold verzierte Varianten, die aufwendig mit Reliefstrukturen versehen werden.
Herstellung in mehreren Schritten
Der Lack wird häufig mit feiner Asche angerührt und per Hand auf das Objekt aufgetragen. Danach muss der Gegenstand mehrere Tage – traditionell in einem kühlen Erdkeller – trocknen. Dieser Vorgang wiederholt sich mehrfach: mindestens sieben Lackschichten sind notwendig, bei hochwertigen Stücken auch deutlich mehr. Zwischen den Schichten wird poliert und geglättet, teilweise mit Materialien wie Reisspelzenasche, Kuhdung oder Knochenmehl. Zur Farbgebung wird traditionell ein rotes Pigment namens Hinthabada eingesetzt, das ursprünglich aus Zinnober (Quecksilbersulfid) gewonnen wurde.
Gravur und Gestaltung
Im letzten Arbeitsschritt folgt die Verzierung. Die Gravuren werden ohne Schablone freihändig durchgeführt – eine Aufgabe, die fast ausschließlich von Männern ausgeführt wird. Die Linien dienen später als Farbgrenzen. Da der Lack keine Fehler verzeiht, muss das Muster im ersten Versuch gelingen. Die anschließende Kolorierung mit Naturfarben erfolgt oft durch Frauen. Verbreitete Motive sind florale Arabesken (Kanote), Tiere, mythische Figuren oder Szenen aus den Jataka-Erzählungen.

Zum Weiterlesen
- Sylvia Fraser-Lu: Burmese Lacquerware. Bangkok: Tamarind Press 1985.
Standardwerk zur Technik, Typologie und kulturgeschichtlichen Entwicklung der burmesischen Lackkunst mit zahlreichen Abbildungen. - Kyaw Swe Nyunt: Myanmar Lacquerware and Its Prospects. In: Diversity and Distinctiveness: Looking into Shared ICH in the Asia-Pacific. 3rd APHEN-ICH Seminar, 2021.
Überblick über Geschichte, Werkstätten und Zukunftsperspektiven des Lackhandwerks mit Fokus auf Bagan und Kyaukka.
Bildnachweis
Titel: Lackware aus Myanmar, Wikimedia Commons, Wagaung.
Lahpet Thoke: Wikimedia Commons, ReflectedSerendipity, Shaun Dunphy.