Wie kann eine Stadt in den Sümpfen Sumatra über Jahrhunderte Einfluss auf ein ganzes Inselmeer ausüben? Wer Palembang, das Zentrum des Reiches Srivijaya, heute besucht, sieht wenig, was an ein Imperium erinnert. Doch im 7. bis 13. Jahrhundert gelang es von hier aus, Handelsströme zu lenken, Bündnisse zu knüpfen und eine Vorrangstellung im südostasiatischen Raum zu behaupten.
Palembang und der Aufstieg Srivijayas

Die Ursprünge Srivijayas liegen im Dunkeln. Sicher ist: Um 682 ließ ein Herrscher namens Dapunta Hyang eine Inschrift an der Küste Bangkas anbringen. Sie berichtet von einem großen Heerzug aus dem Landesinneren, der zur Eroberung der Küste führte. Damit begann der Aufstieg Palembangs zu einem neuen politischen Zentrum. Der Standort war klug gewählt: Am Unterlauf des Musi-Flusses verband er die fruchtbaren Ebenen Sumatras mit den Schifffahrtswegen durch die Bangka-Straße und weiter nach Malakka. Wer hier saß, kontrollierte einen der wichtigsten Korridore zwischen China und Indien.
Palembang als Knotenpunkt

Srivijaya wurde schnell zu einem Magneten für Händler. Chinesische Quellen des 7. Jahrhunderts bezeichnen Palembang als „Tor zu den Inseln“.
Hier sammelten sich Waren aus dem malaiischen Raum, von Java, Borneo und den Molukken. Gold aus Sumatra, Kampfer und Harze aus den Regenwäldern, Gewürze und aromatische Hölzer aus den östlichen Inseln wurden hier umgeschlagen. Im Gegenzug kamen chinesische Seidenstoffe, Keramik und indische Textilien in den Archipel. Palembang fungierte als Lagerplatz, Umschlaghafen und diplomatischer Treffpunkt für Kaufleute und Gesandte.
Macht durch Ritual und Bündnisse

Srivijaya unterschied sich von den klassischen Territorialstaaten seiner Zeit. Seine Herrschaft beruhte weniger auf direkter Kontrolle als auf Anerkennung. Die berühmte Kota-Kapur-Inschrift von 686 beschreibt Palembang als Zentrum, dem periphere Fürsten ihre Loyalität schuldeten. Sie droht Abtrünnigen göttliche Strafen an. Dies ist ein Hinweis darauf, dass rituelle Autorität wichtiger war als dauerhafte Besetzung. Diese Form der Machtausübung wird in der Forschung als Mandala-Modell beschrieben: ein Zentrum mit abnehmender Kontrolle zu den Rändern, dessen Einfluss auf symbolischer Vorrangstellung und persönlicher Bindung beruhte.
Buddhismus als Bindemittel

Eine besondere Rolle spielte die Religion. Srivijaya entwickelte sich zu einem bedeutenden buddhistischen Zentrum. Der chinesische Mönch Yijing hielt sich um 671 mehrere Monate in Palembang auf und lobte das dortige Bildungsniveau. Srivijayas Herrscher stifteten Klöster, unterstützten Pilgerreisen nach Indien und nutzten den Buddhismus als Legitimationsmittel. So verband sich religiöse Vorrangstellung mit politischem Einfluss.
Flotte oder Netzwerk?
Gab es eine srivijayanische Flotte, die den Handel überwachte? Schriftliche Quellen sind vage. Wahrscheinlich verfügte Palembang über Schiffe, die Handelskonvois schützten und Piraten abwehrten. Doch von einer festen Marine im Sinne Athens oder Karthagos kann keine Rede sein. Eher stützte sich Srivijaya auf ein Netzwerk lokaler Machthaber, die gegen Anerkennung des Zentrums Zugang zu Handelsgütern erhielten.
Angriff von außen und schleichender Niedergang
Im Jahr 1025 griff das südindische Chola-Reich Srivijaya an und plünderte wichtige Häfen. Ob dieser Schlag die Macht Palembangs dauerhaft brach, bleibt umstritten. Sicher ist: Im 12. und 13. Jahrhundert verloren die Herrscher an Bedeutung. Neue Zentren wie Jambi am Sumatra-Fluss und das aufstrebende Malakka übernahmen den Handel. Palembang sank zu einer Regionalmacht herab.
Warum Srivijaya wichtig bleibt
Srivijaya ist ein Beispiel dafür, wie maritime Räume beherrscht werden können, ohne dass ein Staat im modernen Sinne entsteht. Palembang verband religiöse Legitimation, wirtschaftliche Anziehungskraft und geschickte Diplomatie zu einer Form von Macht, die über Jahrhunderte stabil blieb. Für den malaiischen Archipel wurde Srivijaya damit zu einem frühen Modell, wie sich Einfluss über Seewege und Netzwerke ausüben lässt. Dieses Muster wurden später von Staaten wie Majapahit und Malakka weitergeführt.

Zum Weiterlesen
Pierre-Yves Manguin: Srivijaya and the Sea. In: O. Prakash, H. P. Ray (Hg.), The Archaeology of Seafaring in Ancient South Asia. Delhi 2003. Archäologische und historische Analyse der srivijayanischen Seemacht.
O. W. Wolters: The Fall of Srivijaya in Malay History. Ithaca 1970. Klassiker zur politischen Entwicklung und dem Niedergang Srivijayas.
George Cœdès: The Indianized States of Southeast Asia. Honolulu 1968. Überblick zu den indisch geprägten Reichen des Archipels.
Bildnachweis
Titel: Darstellung eines javanischen Schiffs am Tempel Borobudur, Yoghyakarta. Wikimedia Commons, Anandajoti.
Karte: Wikimedia Commons, Gunkarta.
Goldfigur: Wikimedia Commons, Gunkarta.
Inschrift: Wikimedia Commons, Gunkarta.
Tempel: Wikimedia Commons, Ryan Wijaya.
Frau im traditionellen Gewand: Wikimedia Commons, Gunkarta.