Zwischen Guru, Geschäft und Gesellschaftsexperiment – Osho und die westliche Sehnsucht

Bhagwan Shree Rajneesh, später als Osho bekannt, ist die archetypische Figur einer Epoche: Seine Bewegung veranschaulicht perfekt, wie spirituelle Heilsversprechen sich mit globaler Kommerzialisierung verflechten, politische Spannungen auslösen und die westliche Faszination für das Exotische einfangen konnten. In den siebziger und achtziger Jahren formierte sich seine Organisation nicht primär als klassische Religion, sondern als ein dynamisches Netzwerk, das intensive Selbsterfahrung mit autoritärer Führung und rasanter ökonomischer Expansion verband.

Aufstieg in Indien

Rajneesh wurde 1931 in Kuchwada (heute Madhya Pradesh) geboren und absolvierte Studien in Philosophie. Bereits früh verband er scharfe Kritik an traditionellen Religionen mit der Betonung persönlicher Freiheit. Seine Vortragsreisen in Indien stießen auf zunehmendes Interesse, nicht zuletzt wegen seines bunt gemischten Stils, der sich sowohl auf antike indische Texte als auch auf westliche Philosophen wie Nietzsche oder Freud bezog.

Rajneesh, 1977

1969 gründete er ein Ashram in Pune, der bald internationale Anhänger anzog. Die dort praktizierten „dynamischen Meditationen“ verbanden expressive Körpertechniken mit einer antiautoritären Rhetorik, die jedoch im Widerspruch zur zentralen Rolle des Gurus selbst stand. Trotz dieser Ambivalenz etablierte sich Pune als ein spirituelles Zentrum für westliche Sinnsucher.

Das Oregon-Experiment

Rajneesh erscheint, 1982

1981 verlegte Rajneesh seinen Hauptsitz in die USA und gründete mit Unterstützung seiner engsten Vertrauten Ma Anand Sheela die Kommune Rajneeshpuram in Oregon. Auf einer abgelegenen Ranch entstand in wenigen Jahren eine weitgehend autonome Siedlung mit Infrastruktur, Sicherheitsapparat und eigener Verwaltung. Die kommunale Planung, der Versuch einer alternativen Gesellschaftsordnung und der gezielte Einsatz von Medien machten das Projekt international bekannt.

Konflikte mit der lokalen Bevölkerung, juristische Auseinandersetzungen und zunehmend autoritäre Praktiken innerhalb der Organisation führten jedoch zu einer Eskalation. Mitglieder der Bewegung begingen 1984 den bis dahin größten Bioterroranschlag auf US-amerikanischem Boden, indem sie in Restaurants im Bezirk Wasco Salmonellen ausbrachten. Es gab keine Todesopfer, aber 751 Menschen erkrankten. Ziel war es, eine Wahl zu manipulieren. Rajneesh selbst wurde schließlich 1985 wegen Verstößen gegen US-Einwanderungsrecht angeklagt und verließ das Land nach einem Deal mit der Staatsanwaltschaft.

Rückkehr und Rebranding

Zurück in Indien benannte sich der frühere Bhagwan in Osho um, ein Begriff, der bewusst mehrdeutig blieb. Die Bewegung überdauerte ihren Gründer, der 1990 starb, durch ein professionelles Netzwerk aus Medienproduktion, Buchverlag und Seminarbetrieb. In der Selbstdarstellung wurde zunehmend Wert auf therapeutische und individualistische Aspekte gelegt. Die frühe politische Radikalität wich einem postmodernen Spiritualismus.

Einordnung

Oshos Erfolg verweist auf tiefere Strukturen: die Krise der traditionellen Religionen im Westen, das Aufkommen eines psychologisch fundierten Individualismus und die zunehmende Marktförmigkeit auch spiritueller Praktiken. Seine Bewegung war kein Randphänomen, sondern Teil eines transnationalen Netzes aus Neo-Religion, Therapie, Tourismus und Gegenkultur. Die Institutionalisierung und ökonomische Stabilisierung des Ashrams in Pune, heute unter dem Namen Osho International Meditation Resort, spiegelt diese Entwicklung.


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Hugh B. Urban: Zorba the Buddha: Sex, Spirituality, and Capitalism in the Global Osho Movement.*

Bildnachweis

Titel: Osho,1983. Wikimedia Commons, Marcel Antonisse / Anefo.

Alle weiteren Bilder gemeinfrei.

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