Xunzi – Ordnung gegen das Chaos

Leben und Zeit

Xunzi lebte im 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, am Übergang von der Spätzeit der Zhou-Dynastie zu den sogenannten Streitenden Reichen. Während frühere Denker wie Konfuzius oder Mengzi noch auf moralische Überzeugungskraft hofften, war Xunzi von der Zerbrechlichkeit der Ordnung überzeugt. Die Welt, wie er sie sah, war zerrissen, eigennützig, gewaltbereit. Nur durch klare Regeln, Disziplin und Lernen konnte sie zusammengehalten werden.

Er wirkte in mehreren Staaten, unter anderem in Qi und Zhao. Zeitweise leitete er eine Akademie in Linzi. Später wurde er Berater am Hof von Chu. Viele seiner Schüler gingen in andere philosophische Richtungen. Der bekannteste war Han Fei, einer der Begründer des Legalismus.

Das Menschenbild

Xunzi steht in direktem Gegensatz zu Mengzi. Während Mengzi lehrte, dass der Mensch von Natur aus gut sei, schrieb Xunzi:

„Die Natur des Menschen ist schlecht. Das Gute kommt durch die Lehre.“
(Xunzi, Kapitel 23)

Für ihn sind Neid, Hass, Gier und Wollust angeboren. Ohne äußere Ordnung entwickeln Menschen keine Moral. Der Edle ist nicht der, der seiner Natur folgt, sondern der, der sie überwindet: durch Studium, Riten, Strafen und gute Gewohnheit.

Diese Sicht bedeutet keine Verachtung des Menschen, sondern eine nüchterne Anthropologie. Xunzi glaubt an Bildung – aber nicht an spontane Einsicht. Es braucht Lehrer, Regeln, Institutionen und bewusste Mühe.

Die Rolle der Riten

Zentrale Mittel zur Zivilisierung des Menschen sind für Xunzi die Riten (li). Sie sorgen für Maß, Respekt, Abstand, Struktur. Riten ordnen Beziehungen, regeln Emotionen und ermöglichen ein friedliches Zusammenleben.

„Die Riten fangen die Begierden ein und leiten sie in die Ordnung.“
(Xunzi, Kapitel 19)

Riten sind kein Formalismus, sondern eine Technik der Selbstformung. In einem bekannten Vergleich nennt er sie das Gerüst des Menschen, ohne sie falle alles auseinander.

Bildung und Sprache

Xunzi betont die Bedeutung von Erziehung. Lernen ist kein Aufblühen einer inneren Anlage, sondern ein mühsamer Prozess der Korrektur. Worte müssen klar sein, Begriffe festgelegt, Regeln einheitlich.

„Wenn die Namen nicht stimmen, so ist das Reden verworren, und wenn das Reden verworren ist, so können die Dinge nicht geschehen.“
(Xunzi, Kapitel 22)

Dieser Gedanke findet sich auch bei Konfuzius, aber Xunzi besteht stärker auf präziser Begrifflichkeit. Für ihn ist Sprache ein Instrument der Ordnung. Wer unklar spricht, gefährdet das Ganze.

Politik und Herrschaft

Xunzi war kein Theoretiker des Himmels oder der kosmischen Ordnung. Er lehnt die Vorstellung ab, dass der Himmel über den Lauf der Dinge wache. Der Himmel folgt dem Wandel – er mischt sich nicht ein.

„Der Himmel tut nichts. Was geschieht, geschieht durch Menschen.“
(Xunzi, Kapitel 17)

Für Xunzi ist Politik eine menschliche Kunst. Der Herrscher soll sich durch Weisheit und Vorbild bewähren, aber er braucht auch Gesetze, Strafen und klare Institutionen. Der gute Staat entsteht nicht durch Inspiration, sondern durch gute Verwaltung.

Er unterscheidet sich vom späteren Legalismus durch sein Menschenbild: Auch wenn die Natur schlecht ist, kann der Mensch durch Bildung verändert werden. Im Legalismus zählt nur Kontrolle. Bei Xunzi bleibt der Edle das Ziel – auch wenn der Weg dorthin hart ist.

Wirkungsgeschichte

In der Han-Zeit setzte sich das menschenfreundliche Bild des Mengzi durch. Xunzi galt lange als unbequem. Viele seiner Schüler wurden mit dem autoritären Staat des Qin-Reiches in Verbindung gebracht. Doch seine Texte überdauerten.

In der Song-Zeit wurde er neu gelesen, oft kritisch. Moderne Leserinnen und Leser finden bei Xunzi eine Philosophie, die Verantwortung nicht dem Himmel, sondern den Menschen überträgt. In einer Zeit globaler Unsicherheit kann seine Ethik der Selbstdisziplin und öffentlichen Ordnung neu befragt werden.


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Kuang Xun; Yibao Guan: Xunzi (2025): Gedanken eines großen Konfuzianers – Analysen und Lehren.*

Bildnachweis

Titel: Portrait des Xunzi, Qing-Dynastie.

Alle Bilder gemeinfrei.

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