Begegnung an der Küste – Arthur Phillip und der erste Kontakt mit den Aborigines

Als die First Fleet im Januar 1788 in Port Jackson einlief, betrat sie kein unbewohntes Land. Die Bucht, die später Sydney Cove genannt wurde, war Teil des Lebensraums der Eora. Gouverneur Arthur Phillip hatte Anweisungen, friedlich zu handeln. Dennoch verliefen die ersten Begegnungen unter ungleichen Bedingungen. Der Erstkontakt wurde nicht zu einem Austausch auf Augenhöhe, sondern zum Beginn einer kolonialen Ordnung, die keine Rücksicht auf bestehende Strukturen nahm.

Annäherung ohne Sprache

Die ersten Beobachtungen der Eora beschreiben sie als aufmerksam, vorsichtig und bewaffnet. Phillip berichtete von „Indians“, die „somewhat alarmed“ gewesen seien. Watkin Tench, ein Offizier des Marinekorps, schilderte eine frühe Begegnung so:

„They advanced boldly towards us, brandishing their spears and shouting, which we interpreted as threatening, though they soon retired when we showed no hostile intent.“1

Der Austausch beschränkte sich auf Gesten und Objekte. Phillip wollte Vertrauen gewinnen und schrieb:

„It is my intention to live in friendship with them as much as possible, and to gain their confidence by kind treatment and presents.“2

Doch Gesten reichten nicht aus. Es gab keine gemeinsame Sprache, keine Möglichkeit zur Klärung von Absichten oder Missverständnissen. David Collins, ein Beamter der Kolonie, notierte:

„We are among them, yet we are strangers still. We cannot converse; we cannot explain. They guess, and we assume.“3

Ordnung und Gewalt

Phillip war bemüht, Eskalationen zu vermeiden. In seinen Befehlen untersagte er Übergriffe auf die indigene Bevölkerung:

Artur Philipp, Gemälde von 1786

„Any man who attempts to ill-use the natives will be severely punished.“4

Als es zu ersten Konflikten kam, blieb er zurückhaltend. Nach einem tödlichen Angriff auf einen Kolonisten ordnete er eine Strafaktion an, erklärte aber zugleich:

„I am very sensible that the natives may have had sufficient provocation; yet to maintain public order, I cannot allow the murder of colonists to go unpunished.“5

Phillips Haltung schwankte zwischen rechtlicher Kontrolle und erkennbarem Bewusstsein für koloniale Verantwortung. Doch seine Möglichkeiten zur Durchsetzung blieben begrenzt.

Krankheit und Entvölkerung

Im Jahr 1789 breitete sich eine Pockenepidemie in der Region aus. Sie traf vor allem die Eora. Innerhalb weniger Monate starben weite Teile der Bevölkerung. Die Herkunft der Seuche ist nicht eindeutig geklärt. Für die Siedler bedeutete sie einen geringeren Widerstand. Phillip registrierte das mit nüchterner Sachlichkeit.

Die Epidemie zerstörte familiäre und soziale Netzwerke. Für viele der Überlebenden war Rückzug der einzige Ausweg. Die Begegnung mit den Briten hatte sich innerhalb eines Jahres in eine tiefe Krise verwandelt.

Bennelong

Bennelong, undatiertes Portrait

Im November 1789 ließ Phillip zwei Männer der Eora gefangen nehmen. Ziel war es, Sprache und Gebräuche besser zu verstehen. Einer der beiden war Bennelong, ein Mann von hohem Rang innerhalb der Wangal-Aborigines.

Zwischen Phillip und Bennelong entwickelte sich eine pragmatische Beziehung. Phillip bemühte sich, ihn als Mittler zu gewinnen. Bennelong wiederum nutzte den Kontakt, um bestimmte Interessen durchzusetzen, etwa Zugang zu britischen Gütern oder Schutz vor rivalisierenden Gruppen. 1790 ließ Phillip ein kleines Haus für ihn am Hafen errichten, auf jenem Felsen, der heute als Bennelong Point bekannt ist.

1792 begleitete Bennelong Phillip nach England. Dort wurde er höflich behandelt, aber als exotische Figur betrachtet. Nach zwei Jahren kehrte er schwer krank zurück. In den folgenden Jahren zog er sich aus dem Kontakt mit der Kolonie zurück. Er starb 1813, weitgehend isoliert.

Bennelongs Leben steht für den Versuch einer Verständigung unter asymmetrischen Bedingungen. Er war kein Verbündeter, aber auch kein Gegner. Er handelte in einem engen Spielraum, der durch Machtverhältnisse bestimmt war, nicht durch Kooperation.

Fazit

Der Erstkontakt zwischen der britischen Kolonie und den Eora war kein Austausch, sondern ein einseitiger Vorgang. Die Siedler hatten klare Pläne. Die Einheimischen begegneten ihnen mit Vorsicht, aber ohne Wissen um deren Absichten. Arthur Phillip versuchte, Übergriffe zu verhindern, doch sein Auftrag duldete keine Verhandlung.

Die britische Präsenz war dauerhaft. Für die Eora begann mit dem 26. Januar 1788 ein fortlaufender Prozess der Verdrängung.

Seit 1973 steht das Opernhaus von Sydney am Bennelong-Point

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Zum Weiterlesen

Karskens, Grace (2009): The Colony: A History of Early Sydney. Crows Nest: Allen & Unwin.
→ Detaillierte Studie über die Anfänge der Kolonie, mit besonderem Fokus auf topografische, soziale und indigene Kontexte.

Frost, Alan (2012): Arthur Phillip, 1738–1814: His Voyaging. Oxford: Oxford University Press.
→ Biografischer Zugang zu Phillip, mit enger Auswertung seiner Briefe und Anweisungen.

Tench, Watkin (1789): A Narrative of the Expedition to Botany Bay. London.
→ Zeitgenössischer Bericht eines Marineoffiziers über die First Fleet und die frühen Kontakte mit den Eora. Online bei Projekt Gutenberg

Collins, David (1798): An Account of the English Colony in New South Wales. London.
→ Verwaltungsperspektive auf die ersten Jahre der Kolonie, mit Beobachtungen zum Verhältnis zu den Aborigines. Projekt Gutenberg

Attwood, Bain / Foster, Stephen G. (Hg.) (2003): Frontier Conflict: The Australian Experience. Canberra: National Museum of Australia.
→ Historische und erinnerungskulturelle Beiträge zur Frühphase der kolonialen Expansion.

Übersetzung der Zitate

  1. Watkin Tench (1789): A Narrative of the Expedition to Botany Bay, Kap. 2.
    „Sie traten entschlossen auf uns zu, schwangen ihre Speere und riefen laut. Wir deuteten dies als Bedrohung. Doch sie zogen sich zurück, als wir keine feindliche Absicht zeigten.“ ↩︎
  2. Arthur Phillip (1788): Brief an Lord Sydney, zitiert in: Frost, Arthur Phillip, S. 148.
    „Es ist meine Absicht, so gut wie möglich in Freundschaft mit ihnen zu leben und ihr Vertrauen durch gutes Verhalten und Geschenke zu gewinnen.“ ↩︎
  3. David Collins (1798): An Account of the English Colony in New South Wales, Bd. 1, Kap. 3.
    „Wir sind unter ihnen, aber wir bleiben Fremde. Wir können nicht sprechen und nichts erklären. Sie vermuten, was wir wollen, und wir nehmen an, was sie meinen.“ ↩︎
  4. Arthur Phillip (1788): Militärbefehl vom Juli 1788, zitiert nach Frost, Arthur Phillip, S. 153.
    „Jeder, der versucht, die Eingeborenen zu misshandeln, wird streng bestraft.“ ↩︎
  5. Arthur Phillip (1790): Brief an Lord Sydney vom 13. Mai 1790, National Archives UK, CO 201/3.
    „Ich bin mir bewusst, dass die Eingeborenen möglicherweise provoziert wurden. Dennoch kann ich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung den Mord an Kolonisten nicht unbeantwortet lassen.“ ↩︎

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